Rechentisch (Replik)

Mittelalterliches Rechenbrett mit Liniensystem für zwei Währungen

300 v.Chr.

Viele erhaltene Rechentische und Rechentücher zeigen vor den Spalten Bezeichnungen für Währungseinheiten. Am Dinkelsbühler Rechentisch stehen sich die Gulden- und die ältere Pfundwährung gegenüber. Beide waren im westlichen Franken im 15. Jahrhundert gebräuchlich. Dadurch wurden die Zwischenräume der Rechentische dann zu sogenannten Münzstreifen. Das heißt, der Zwischenraum stellt hier die Einheiten dar, während die Linien die Fünferbündelungen repräsentieren.

Das „Rechnen auf den Linien“ funktioniert so: Legt man Platzhalter, kleine Rechenpfennige, auf diese Linien, so repräsentieren sie den Wert der jeweiligen Stelle. Bei einem schlichten Rechentisch ohne weitere Währungseinteilung entspricht ein Rechenpfennig auf der untersten Linie „1“, zwei Rechenpfennige auf der untersten Linie „2“, drei „3“ usw. Auf der Linie darüber hingegen bedeutet ein Rechenpfennig die Zahl „10“, zwei „20“, drei „30“ usw. Auf der dritten Linie von unten befinden sich dementsprechend die Hunderter, dann auf der nächsten Linie die Tausender usw. In den Zwischenräumen hat der Rechenpfennig jeweils den fünffachen Wert der darunterliegenden Linie.

Das „Rechnen auf den Linien“ wurde erst ab dem 15. Jahrhundert in Westeuropa vom „Rechnen mit der Feder“ abgelöst. Davon geben die frühen deutschen Rechenbücher Auskunft. Sie waren die ersten gedruckten Kulturzeugnisse in deutscher Sprache neben religiösen Texten. Dort wird das Rechnen am Rechentisch meist ausführlich behandelt. Bei den fortschrittlichen Rechenmeistern wird es dann dem „Rechnen mit der Feder“, also dem schriftlichen Rechnen mit den damals neu eingeführten indisch-arabischen Ziffern, gegenübergestellt. Somit ist belegt, dass das „Rechnen auf den Linien“ mindestens 1800 Jahre die vorherrschende Art des Rechnens in Europa war.

So verbreitet und erfolgreich das „Rechnen auf den Linien“ auch war, um eine sehr schnelle Rechenhilfe handelte es sich dabei nicht. Allerdings stellte es eine wichtige Hilfe beim Rechnen mit römischen Zahlen dar, da die aufgelegten Rechenpfennige auch mit der Fünferbündelung direkt als römische Zahl abgelesen werden konnten.
Inventarnummer:
FDM6259

Jahr der Erfindung:
-300

Hauptgattung:
Einfaches Rechenhilfsmittel

Untergattungen:
Soroban

Maße (H x B x T):
80 x 175 x 86 cm

Produktionszeit:
300 v.Chr. - 1499


Literatur:
  • Becker, Gerhard: Das Rechnen mit Münze, Maß und Gewicht seit Adam Ries. Materialien & Studien zu Alltagsgeschichte und Volkskultur Niedersachsen, H. 21. Cloppenburg 1994, p. 383-384
  • Hess, Wolfgang: „Rechnung legen auf den Linien, Rechenbrett und Zahltisch in der Verwaltungspraxis in Spätmittelalter und Neuzeit“, in: Maschke, E./Sydow, J. (Hrsg.): Städtisches Haushalts- und Rechnungswesen. Sigmaringen 1977, p. 69-82, p. 172-173
  • Menninger, K.: Zahlwort und Ziffer. Göttingen 1958, II, p. 153ff.
Dieses Objekt befindet sich aktuell in der Ausstellung im 3. Obergeschoss.

 

Mittelalterlicher Rechentisch mit Liniensystem für zwei Währungen, Nachbau nach einem Original aus dem Historischen Museum Dinkelsbühl e.V., (Inv.-Nr. 1292), FDM 6259, © Arithmeum
Bei einem Geldverleiher, Holzschnitt von Jörg Breu, © Menninger [1958], II, p. 177.