Léon Bollée und C. Baldaccini César

Voiturette, 1896, Compression, 1981

Kunst Singulär im Arithmeum präsentiert Auto-Kunst: Kunst-Auto.

Autos als Zivilisationsprodukte treffen im Arithmeum in ungewohnten Formen aufeinander. Es handelt sich um eine Voiturette von Léon Bollée aus dem Jahre 1896 und einen gecrashten Ford von C. Baldaccini César mit dem Titel "Compression" von 1981.

Léon Bollée - "Voiturette"

Léon Bollée war Rechenmaschinenkonstrukteur und Auto-Erfinder. Im Arithmeum sind seine direktmultiplizierende Rechenmaschine und sein Arithmographe, ein Zahlenschieber mit Multiplikationsvorrichtung zu bewundern. Mit der zuerst genannten Maschine hat Bollée auf der "Exposition universelle" 1889 in Paris eine Goldmedaille gewonnen. Aber Bollée war nicht nur Rechenmaschinenkonstrukteur, sondern er baute auch Autos und war begeisterter Rennfahrer. Léon Bollée, aus einer Erfinder-Familie stammend, tüftelte an straßentauglichen Mobilen mit Explosionsmotor. Auf der Voiturette von 1896 finden zwei, höchstens drei Personen Platz. Im höchsten, also dem dritten Gang, fuhr die Voiturette maximal 24 km/h. Das ist eine Geschwindigkeit über die wir heute nur lächeln können. In jener Zeit gewann dieses Dreirad jedoch zahlreiche Rennen. Mit 2,50 m Länge, 1,20 m Breite sowie Leistungen, die bei 2,5 PS bei 800 U/min aus 650 ccm Hubraum lagen, stellte dieses kleine Auto damals die meisten Konkurrenten in den Schatten. Dennoch wurden von 1896 bis 1899 nur einige hundert dieser dreirädrigen Voiturettes produziert, auf denen die begleitende Dame vor dem Fahrer sitzt, damit sich dieser ungestört mit ihr unterhalten konnte, ohne den Blick von der Straße zu wenden.

Das Bollée-Auto wird von seinem Besitzer Bernhard Schmidt mit Bowler und historischem Anzug auch heute noch auf Ralleys gefahren. Das kleine technische Wunderwerk mit den weißen Reifen ist für drei Monate im Arithmeum zu besichtigen. Mit der Gegenüberstellung des historischen Bollée-Fahrzeugs und des gecrashten Ford versucht Kunst singulär den Bezug von Kunst und Technik zu hinterfragen. Im antiken Griechenland gab es für diese beiden Begriffe nur ein einziges Wort: techné.

Die Trennung zwischen Funktion und Kunst ist darin noch nicht vollzogen. Heute dagegen wird zwischen Technik und Kunst strikt getrennt. Die Technik wird allein von der Rationalität und dem Intellekt her verstanden, während Kunst angeblich etwas vom Gefühl bestimmtes darstellt, das bar jeder Funktion ist. Selten wird hinterfragt, ob Kunst auch heute noch etwas mit Können zu tun haben muss, und ob die hochentwickelte Technik unserer Zeit, die ausschließlich durch Können erreicht wird, nicht vielleicht im ursprünglichen Sinne der techné auch Kunst ist.

C. Baldaccini César "Compression"

Das zweite Auto ist im Gegensatz zum kunstvollen historischen Vorgänger nicht mehr fahrtüchtig. Es handelt sich um einen Ford, der als solcher aber kaum noch zu erkennen ist. Der Künstler César ist für seine zusammengepressten Auto-Skulpturen, die er seit den 60er Jahren machte, bekannt. Das Kunstwerk ist eine Leihgabe des Museums Ludwig, Köln und der Ford-Werke AG.

Im Alltag begegnen wir Autos lediglich in zwei Zuständen: als funkelndes Prestigeobjekt und Fortbewegungsmittel oder als Entsorgungsproblem, als Wegwerfprodukt, als Schrott. César greift mit seiner Kunst in die Entsorgungskette ein und erklärt zusammengepressten Auto-Schrott zu Kunst. Der Schrott wird somit in einem neuen Bedeutungszusammenhang gesehen. Das gecrashte Auto erlangt einen eigenen ästhetischen Reiz, der völlig losgelöst von der ehemaligen Funktion auf den Betrachter wirkt.

Wir danken den Leihgebern: Museum Ludwig, Köln und Ford Werke AG - César Bernhard Schmidt Bollée.