Joseph Beuys

Rose für direkte Demokratie, 1972

„A Rose ist a rose is a rose…“ schreibt Gertrude Stein – die symbolische Bedeutung dieser Blume zugleich in Frage stellend und betonend.

In der Reihe „Kunst singulär“ zeigt das Arithmeum eine ganz besondere Rose: Joseph Beuys „Rose für direkte Demokratie„. Die langstielige Baccara-Rose steht in einem schmalen gläsernen Meßkolben mit Skala. Auf einem Glaszylinder sind Titel und Signatur des Künstlers eingraviert.

Joseph Beuys Werk stützt sich auf den Grundgedanken umfassender Kommunikation und ist Medium eines politisch- ethischen Engagements. Ende der 60er Jahre verkündete Beuys sein Konzept des „erweiterten Kunstbegriffs„. Dieser schließt die politische Aktion als Kunst mit ein. Wiedererkennbare Alltagsgegenstände können demnach in Installationen und Happenings integriert werden.

Beuys hatte sich bereits für sein Düsseldorfer Büro für direkte Demokratie täglich eine Rose gewünscht. Erst in seinem „Hunderttage-Büro für direkte Demokratie“ auf der documenta V in Kassel 1972 wurde die Rose im Meßglas als Teil einer Aktion zum Vehikel künstlerischer und politischer Ideen. Gerade durch die Vervielfältigung des Kunstobjekts finden diese Ideen viele Adressaten und Miteigentümer.

Beuys Multiples sind Ideenträger, assoziative Werkzeuge, die eine Kommunikation in Gang setzen wollen. In seinem Büro auf der Kasseler documenta argumentierte Beuys in Diskussionen und Aktionen gegen Parteiendiktatur und warb für seine Idee einer direkten Demokratie.

Für Beuys ist die Rose „ein sehr einfaches und klares Beispiel und Bild dieses evolutionären Prozesses zum revolutionären Ziel, denn eine Rose ist eine Revolution in Bezug auf ihre Entstehung. Die Blüte kommt nicht ruckartig zustande, sondern nur aufgrund eines organischen Wachstumsvorganges, der so angelegt ist, daß die Blütenblätter keimhaft veranlagt sind in den grünen Blättern und aus diesen ausgebildet werden; Kelch und Blütenblätter sind umgewandelte grüne Blätter.

„Das Glasgefäß, in dem die Rose steht, ist im Gegensatz zur Rose ein stereometrischer, künstlich-technischer Körper. Ein kristalliner Gegenstand – in der Wissenschaft zur Analyse ein- gesetzt, der den enthaltenen Stoff jedoch nicht in seinen wesent- lichen Eigenschaften, sondern nur in seinem Volumen, seiner Menge erfassen kann. Der enthaltene Stoff ist Wasser, das dem Gefäß durch die Rose allmählich entzogen wird, das die Rose ernährt und den evolutionären Prozess des Wachsens, der Veränderung vom Grün zum Rot der Blüte erst ermöglicht. Beuys „Rose für direkte Demokratie“ versinnbildlicht den Übergang von einem starren, farblosen System in einen organischen Körper, dessen bekannte Konnotation zur Liebe Beuys in diesem Zusammenhang gewiss nicht aussschließt. Das Multiple von Joseph Beuys ist im Arithmeum umgeben von Bildern der konkreten Künstlerin Elena Lux-Marx, die einem gänzlich andersgearteten Konzept entspringen. Hier wird die Brücke zwischen Kunst und realer Welt nicht über verfremdete Objekte geschlagen, sondern das Bild bringt eine eigene konkrete Realität zum Erscheinen. Ohne das aktive Betrachten – insbesondere im Kontrast zur Rose – würde sich aus dem zarten Grau der „Fastmonochromien“ niemals das enthaltene Farbspektrum entwickeln.