Adolf Richard Fleischmann

"Relief-painting #6", 1960

Adolf Richard Fleischmann (1892-1968) hat mit seinem Werk eine Nische zwischen streng konstruktiver Kunst und malerischer Poesie gefunden. Seine Kunst besticht durch die Stringenz der Kompositionen und die Klarheit der Formen. Viele seiner Gemälde haben durch die Leichtigkeit seiner Pinselführung, die nahezu expressiven Charakter hat, einen besonderen Charme. Fleischmann, der in Esslingen am Neckar geboren wurde, begann 1908 nach dem Abschluß der Oberrealschule sein Studium an der Königlichen Kunstgewerbeschule in Stuttgart. 1911 wechselte er an die Königliche Kunstakademie in Stuttgart und besuchte dort die Klasse von Adolf Hölzel. Erste abstrakte Kompositionen entstanden 1925, als er viel Zeit in Italien verbrachte, wo er von 1936 bis 1938 lebte. Er entwickelte die abstrakte Formensprache seiner Bilder konsequent weiter und malte 1943 erstmals geometrische Bilder. 1950 fand er dann zu seinem charakteristischen Stil, der sein Spätwerk prägte.

Mit seiner einzigartigen Malweise wurde er international bekannt und häufig als Vorreiter der Op-Art bezeichnet. In seinen Gemälden arbeitete Fleischmann mit einer sehr reduzierten Grundform, einem Rechteck, das er in steter Wiederholung zu immer neuen Rhythmen und Farbklängen kombinierte. Sein Werk umfaßt strenge Kompositionen mit "querres", L-förmigen Farbflächen, die, wie die gesamte Komposition, sehr exakt gemalt sind, bis hin zu sehr frei anmutenden Bildstrukturen, die allein aus der Repetition des immer gleichen Pinselstrichs in unterschiedlichen Farben leben. Der Pinselduktus ist hier nicht exakt, sondern expressiv. Die Pinselstriche erinnern in ihrer Setzung an eine klassische Linienführung in der chinesischen Tuschemalerei, das sogenannte "fei bai", das "fliehende Weiß". Bei dieser scheint in einer Pinsellinie, die mit recht trockenem Pinsel ausgeführt ist, der Untergrund an einigen Stellen der Linie durch. Im Gegensatz zur Tuschemalerei setzt Fleischmann seine Pinselstriche auf bereits gemalte andersfarbige Flächen. Das führt zu Farbvibrationseffekten, die über die Farbverschiebungen, die durch die rhythmische Anordnung der farbigen Linien entstehen, hinausgehen.

Fleischmann begann 1956 mit einem sehr ungewöhnlichen Medium in seinen Kompositionen zu experimentieren: Wellpappe. Diese Pappe baute er als L-förmige Ausschnitte in seine Bilder ein. Wie in einer Collage befestigte er die Wellpappeformen auf der Bildfläche, wobei er die Ausrichtung der gleichförmigen Struktur als Gestaltungselement nutzte. Über die dadurch entstandene Reliefstruktur malte er zunächst eine dekkend weiße Grundierung, wodurch die Oberfläche einen sehr homogenen Eindruck macht. Gezielt setzte er auf diesen Grund einige farbige Akzente wie beispielsweise in der Komposition "6"die Grundfarben Rot und Blau sowie Schwarz. Mit der roten L-From werden die Formen der Wellpappenstücke aufgegriffen. Das Blau bildet einerseits einen farbigen Kontrast zum Rot, andererseits korrespondiert die Rechteckform mit den schwarzen, dynamisch aufsteigenden Rechtecken.