Vor genau 400 Jahren entwickelte der Universalgelehrte, Mathematik- und Astronomieprofessor, Professor für hebräische Sprache und Geodät, Wilhelm Schickard, in Tübingen eine erste Rechenmaschine. Seine Erfindung nehmen wir zum Anlass, das 400ste Jubiläum der Rechenmaschine zu feiern. Schickard zu Ehren wird dieses Jahr auch vom Bundesverwaltungsamt Münze Deutschland eine Silber-Gedenkmünze heraus gegeben. Ein Preview der Abgussform ist bereits in der Ausstellung zu sehen. Leider ist uns keine Original-Schickard-Rechenmaschine erhalten, da beide Exemplare im 30-jährigen Krieg verloren gegangen bzw. verbrannt sind.
Doch wie kann eine Ausstellung gelingen, bei der das wichtigste Exponat historisch bedingt fehlt? Natürlich gab es schon seit dem vergangenen Jahrhundert Nachbauten der Maschine nach Originalskizzen von Schickard, die seit 50 Jahren das Bild dieser Rechenmaschine prägen. Diese Nachbauten waren darauf ausgerichtet, ein möglichst funktionsfähiges Modell der Maschine zu entwerfen. Dieser Ansatz war sicherlich legitim, um überhaupt erst einmal eine Vorstellung von der ersten Rechenmaschine zu bekommen.
Wir haben das Jubiläum nun zum Anlass genommen, die historischen Quellen in Form von handschriftlichen Skizzen und Notizen sowie Briefen an Johannes Kepler noch einmal genau zu untersuchen. Aus dem historischen Material geht hervor, dass Schickard zum einen begeistert über den mechanischen Zehnerübertrag seiner Maschine berichtet, bei dessen Betrachtung er Kepler schreibt, dass dieser hell auflachen würde, könnte er ihn sehen.
Nun haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, seine Rechenmaschine neu zu rekonstruieren und zwar den spärlichen Quellen folgend so originalgetreu wie möglich. Dieses Mal sollte aber kein Bauteil hinzugefügt werden, das Schickard nicht beschrieben hatte. Wohlwissend, dass das Ergebnis möglicherweise nicht perfekt funktionieren würde, legten wir die Originalskizzen zu Grunde und modellierten darauf aufbauend den Rechenteil mit den charakteristischen Eizähnen in 3D am Computer. Details, die den Skizzen nicht eindeutig zu entnehmen sind, lehnten wir trotzdem so nah wie möglich an den sehr elementaren Zeichnungen an. Das Ergebnis war ein druckbares 3D-Modell, das wir der besseren Übersicht halber didaktisch konsequent eingefärbt haben, um Bewegungsabläufen besser folgen zu können. Bei der Benutzung fällt auf, dass die Wellen rechts der Stellen, an der eine Zahl eingegeben wird, ein wenig gedreht werden, wenn sie auf Null oder Neun stehen, ohne dass dies intendiert war. Mit einem kleinen Trick lässt sich dieser "Schönheitsfehler" aber umgehen. Jeder kann nun selbst die Ideen Schickards bei Bedienung des Modells einfach nachvollziehen und das Abenteuer der Erfindung der ersten Rechenmaschine besser verstehen.
Doch 1623 wurde nicht nur die erste Rechenmaschine gebaut, sondern auch Blaise Pascal geboren. Dieser französische Philosoph und Mathematiker baute im Alter von 19 Jahren in Rouen eine Rechenmaschine. Sein Vater, der Steuerbeamter in der Normandie war, erwirkte bei seinem Vorgesetzten, Kanzler Séguier, hierfür die Erteilung eines königlichen Privilegs. Die "Pascaline" wurde in wissenschaftlichen Kreisen sehr berühmt und auch noch 100 Jahre später in Enzyklopädien zur führenden Technik der Zeit abgebildet. Sie ist im Orginal in mehreren Exemplaren erhalten und zeigt eine sehr viel elegantere Mechanik als die Rechenmaschine von Schickard, vor allem was den Zehnerübertrag betrifft. Im Arithmeum wird eine Original-Pascaline als Dauerleihgabe der IBM USA ausgestellt. Sie funktioniert auch heute noch. Auch ihre Funktionsweise kann an einem Modell selbst ausprobiert werden.
Schickard und Pascal legten die Grundsteine in der Entwicklung der mechanischen Rechenmaschinen für die nächsten 350 Jahre bis zur Ablösung durch moderne Computer. Die Ausstellung zeigt die spannende und äußerst kreative, weitere Entwicklungsgeschichte der Rechentechnik. Dabei finden sich Erfindungen, die nur als Unikat gebaut wurden, teilweise weil sie skurril waren, teilweise, weil ihre Erfinder keine Ambitionen zur Vermarktung oder einfach kein Glück hatten, ebenso wie Erfindungen, die in großen Stückzahlen gefertigt wurden und Beispiele beeindruckender Erfolgsgeschichten sind.
Die Ausstellung zu "400 Jahren Rechenmaschinen" zeigt diese Rechenmaschinen nicht nur unter funktionalen, sondern auch unter ästhetischen Aspekten. Somit lässt sich nicht nur ein unerschöpflicher Erfindergeist entdecken, sondern auch die Schönheit des Rechnens. Wir wünschen Ihnen hierbei viel Vergnügen!
Öffentliche Führung: Jeden Sonntag um 16:30 Uhr.
Eine vorherige Anmeldung ist nicht notwendig.