Josef Albers

New Version of ‚Indicating Solids‘ of 1949, 1971

Josef Albers, 1888 in Bottrop geboren, war durch sein Werk und seine Lehre einer der bedeutendsten Vertreter und Wegbereiter der geometrisch-konstruktiven Kunst. In seinem Werk und seiner Lehrtätigkeit – ab 1920 am Bauhaus, ab 1933 am Black Mountain College und an der Yale University in den USA - vereinte er Intuition und Methodik, um die Grundlagen des Sehens zu ergründen.

 

Albers konzentrierte sich in seinen Studien auf die beiden wesentlichen Komponenten der Malerei: Auf der einen Seite die Farbe als optisches Energiepotential, auf der anderen Seite Form und Linie zur Strukturierung des Bildraums.

Um 1950 fand der Künstler wesentliche Ansatzpunkte zu seinen Farb- und Formstudien. Zu ihnen gehört das kürzlich für das Arithmeum erworbene Gemälde „New Version of ‚Indicating Solids‘ of 1949„. Die Komposition dieses Gemäldes, das ein früheres Werk aufgreift, diente als Vorlage für strukturelle Studien („Transformations„, „Structural Constellations„), in denen Albers Ausdrucksmöglichkeiten von Linie und Fläche im Raum durchspielte. Im Jahr darauf entstanden erste Versionen der berühmten Werkserie „Homage to the Square„ (siehe rechts).

Streng reduziert auf Grautöne, ist die Komposition von „Indicating Solids„ komplexer angelegt als die ruhigen Quadratformen der Farbvariationen von „Homage to the Square„. Während Albers dort vor allem „the Interaction of Color„ (der er auch ein ganzes Album widmete) immer wieder neu untersuchte, ging es ihm bei seinen strukturellen Studien um räumliche Seherfahrungen, die ihn zeitweilig auch auf das Gebiet der Skulptur führten.

Die Bedeutung der Figur in „Indicating Solids„ für das Gesamtwerk von Josef Albers bezeugen diverse Wiederaufnahmen des Motivs, nicht nur in dieser Ölversion, sondern auch in der Mappe „Formulation : Articulation„ (1972). Interessanterweise benutzte Albers das Motiv der „Indicating Solids„ 1976 auch für seine letzte Serie, die den bezeichnenden Titel „Never Before„ trägt. Hier hat er das Motiv der „angedeuteten Körper„ zwölfmal farblich variiert und sich damit den Farbstudien der „Homage to the Square„ angenähert. Die Elemente Farbe und Form erhielten dadurch am Ende seines Schaffens in dieser Komposition eine demonstrative Gleichgewichtung.

In „Indicating Solids„ deuten die Winkel in der Bildmitte Räumlichkeit an, doch der Blick gleitet an den äußeren diagonalen Parallelen entlang und stellt Unstimmigkeiten fest. Die vermeintliche Perspektive entpuppt sich als optische Täuschung, ein Effekt, der durch die subtil gesetzten Grautöne noch verstärkt wird.

Mit dieser Komposition gelang es Albers, dem Betrachter eine spannende Formgebung bewußt zu machen. Der Blick wird durch vermeintlich Vertrautes angezogen, um es dann bald als Täuschung zu entlarven. Möchte man den Trick durchschauen, beschäftigt man sich zwangsläufig mit der Formgebung, mit den Proportionen und der Farbe. So erreichte Albers sein Ziel, den Betrachter fast unbewußt visuell zu bilden und das Sehen als solches bewußt zu machen.